Excess in Priapo, 2004/2005

Als Bestandteil der Serie para-sites, der virtuellen „parasitären Museums-Applikationen“, die auf das Umfeld einer Institution reagieren, ist die Neon-Arbeit Excess in Priapo als ortsspezifische Installation für das Lenbachhaus München und in Bezug auf den Königsplatz konzipiert.

Der lateinische handschriftliche Schriftzug Excess in Priapo stammt aus den Tagebuch-Eintragungen des in München geborenen und von den Faschisten verfolgten jüdischen Schriftstellers Lion Feuchtwanger (1884-1958).

Excess in Priapo ist für den Vorbau des linken Gebäudeflügels zur Straßenseite hin gedacht, von wo die Leuchtschrift im Gesims unter dem Relief eines römischen Streitwagens deutlich vom Königsplatz aus sichtbar ist. Das Lenbachhaus, bedeutungsvoll am Kopfende des Königsplatzes gelegen, bietet ein dichtes Bezugsfeld, in das sich die Arbeit einfügt. Die Neonschrift setzt hier einerseits einen Kontrast zur Neo-Renaissance-Architektur des Hauses selbst1, andererseits stehen die leuchtenden Zeilen dort visuell in direktem Bezug zu den Propyläen und dem Königsplatz mit seiner problematischen faschistischen Geschichte. Virtuell steht Feuchtwangers persönliche Handschrift Excess in Priapo hier im Westen des Königsplatzes den von den Nazis im Osten des Platzes erbauten Ehrentempeln gegenüber, von denen noch die überwachsenen Fundamente übrig sind (die Tempel wurden 1945 von den Amerikanern gesprengt). Der Königsplatz als klassischer Parade- und Aufmarschplatz der Nazis wird folglich in übertragenem Sinne direkt mit dem von den Nazis zum “Staatsfeind Nummer 1” 2 deklarierten Schriftsteller konfrontiert. Excess in Priapo kontrastiert als “minimalistische Setzung” in dieser sehr präsenten historischen Situation das Martialische, den Männlichkeits- und Größenwahn der Nationalsozialisten, aber auch den pseudo-virilen Stil der von Leo von Klenze erschaffenen “Neo-Antike”.

Durch das Zitat einer Original-Handschrift als Neon-Arbeit entsteht hier allgemein ein Vakuum zwischen dem Privatissimum eines Tagebuchvermerks und seiner Präsentation im öffentlichen Raum. In der Konfrontation von Sprache, Form und Inhalt, von Codierung und Interpretationsraum werden die Wände des durch die Schrift bespielten Gebäudes und seine Umgebung aber auch als offener Ort von historischen Diskursen konnotiert.




1) Die Schrift setzt sich hier am Lenbachhaus auch in einen diametralen Bezug zu Maurizio Nannuccis Neonschrift you can imagine the opposite.

2) Feuchtwanger sah viele der Verbrechen der Nazis bereits 1930 voraus und warnte frühzeitig vor den aufkommenden „Barbaren“. Im ersten Exil in Frankreich schrieb er den Roman Der falsche Nero, in dem er Hitler mit dem römischen Imperator Nero gleichsetzt. Von Hitler wurde Feuchtwanger als „persönlicher Feind“ angesehen, seine Bücher bei den Bücherverbrennungen als erste dem Feuer übergeben.